Einheimische Orchideen

Königinnen von unwiderstehlichem Reiz

 

Klapi Kaum eine Homepage eines Naturfotografen verfügt nicht über eine separate Galerie mit Aufnahmen wilder Orchideen. Besteht der besondere Reiz dieser botanischen Familie in deren Artenvielfalt? Sind es bei vereinzelten, sehr raren Spezies die gehüteten Standortgeheimnisse, mit deren exklusiver Kenntnis man auf sich aufmerksam machen will? Oder sind es letztlich die sehr

diversen, kunstvollen Zeichnungen der meist farbenfrohen Kelchblätter,Kronblätter und Lippen dieser Kunstschöpfungen?

 

Hummel-Ragwurz (Ophrys holoserica)

 

Wer denkt beim Verzehr eines Vanille-Eises an der warmen Frühlingssonne schon daran, dass er gerade genüsslich Essenzen der Orchideenfrucht über seine Geschmackssensoren gleiten lässt; ein Aroma, welches sehr vielen Parfums angesehenster Labels die unverzichtbare Basis verleiht? Wer denkt bei dem Betrachten einer frischen Fliegenragwurz (rechts) schon an die eben ausgelaufene Spargelsaison? Tatsächlich gehört die Familie der Orchideen zur Ordnung der Asparagales (Spargelartigen). Ja, und woher kommt denn der Name dieser geheimnisvollen Schönheiten? Orchis ist der griechische Name für ‚Hoden‘ und spielt auf die zwei hodenförmigen Wurzelknollen des Knabenkrautes an.

 

 

Vanilla planifolia (Echten Vanille) einer äquatonahem Anpflanzung in Uganda            Fliegenragwurz (Ophrys apifera) 

 

Die Orchideen faszinieren nicht nur uns Menschen, sondern finden auch Freunde im Reich der Gliederfüsser: „Es muss nicht immer Nektar sein“, dürfte sich hier die veränderliche Krabbenspinne (Misumena vatia) sagen. Farblich an den gelben Frauenschuh angepasst, lauert sie hier Insekten auf, welche mit der Idee antreten, Pollen oder Nektar zu sammeln. Eine wahrhaft romantische Umgebung für deren der letzten Stunde...

 

Der Gast passt sich an; er will nicht den Nektar, sondern die den Nektar wollen...; Krabbenspinne auf Frauenschuh

 

ORCHIDEENVIELFALT IN DER SCHWEIZ

 

Aufgrund ihrer topografischen, pedologischen und klimatischen Vielfalt, welche die Schweiz trotz ihrer flächenmässig kleinen Ausdehnung kennzeichnet, verfügt unser Land über einen erstaunlichen Artenreichtum an Orchideen. Die AGEO (Arbeits-Gemeinschaft Einheimische Orchideen) präsentiert diese in 28 Gattungen, wovon 17 jeweils nur eine Art aufweisen. Zusammen sind es rund 75 Arten. Das Gemeinsame all dieser Orchideen in unserer Heimat ist ihre Eigenschaft als Erdorchidee. Sie kontrastieren damit zu den vor allem in tropischen Breitengraden vorkommenden Epiphyten, also sogenannten Aufsitzpflanzen, welche meist auf Bäumen vorkommen, ohne diesen Nahrung zu entziehen.

 

Es lohnt sich hier kaum zu streiten, wie viele Arten nun genau unser Territorium besiedeln, wie sie nun wissenschaftlich immer genau heissen und ob es nun genetisch mehr oder weniger stabile Arten oder Unterarten sind. Die Nomenklatur ist eh stetigem Wandel unterworfen. Es ist die schlichte Vielfalt, welche verblüfft. Sie ist derart, dass sich die Spezies mit Antonymien darstellen lassen:

 

 

Spinne auf Biene:
Laufspinnenart Philodromus dispar auf
Bienenragwurz (Ophrys apifera)

 

VON GROSS BIS KLEIN

 

Wer kennt sie nicht, die wunderschönen Gelb-Frauenschuhe (Cypripedium calcelous). Sie bilden auch die grössten Blüten hierzulande. Entsprechend gefährdet ist sie durch Ausgraben. Auch wenn der Frauenschuh bis auf 2200m hinauf klettert, ist sein grössenmässiger Antipode, die Zwergorchis (Chamorchis alpina) mit einer Wuchshöhe von maximal bloss 15 cm.
Ein weiterer Gegensatz besteht in der unauffälligen Erscheinung.

 

 

 

Romanze: Goldstaub-Laubkäfer 'herzt' Langblättriges Waldvögelein
(Cephalantera longifolia)

 

Gross: Gelb-Frauenschuh (Cypripedium calceolus)                                          Klein: Kriechendes Netzblatt oder Moororchis (Goodyera repens)

 

VON TROCKEN BIS FEUCHT

 

Durch intensive Meliorationen in der Vergangenheit sind die typischen Riedbewohner wie zum Beispiel das Sumpfweichkraut, das einblättrige Weichkraut oder das Torfglanzkraut selten geworden. Bezüglich Bodenbeschaffenheit sehr tolerante Arten wie das Mannsknabenkraut sind hingegen praktisch in der ganzen Schweiz anzutreffen. Magerwiesen mit kalkhaltigem bzw. mergeligem Untergrund in lockeren Föhrenwäldern sind für zahlreiche Arten die komfortable Umgebung, darunter die grünlichen Breitkölbchen, die Waldhyazinthe, die Waldvögelein (bleiche, rote und langblättrige) sowie die Vertreter aus der Gattung der Ophrys (Ragwurzen). Sie, wie weitere, sehr wärmeliebende Arten wie die Bocksriemenzunge bilden ihre Blätter für die kommende Saison jeweils schon im Herbst aus, während andere sich erst im Frühjahr bemerkbar machen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ameisenbesuch bei der
Sumpfstendelwurz (Epipactis palustris)

 

 

Trocken: Bienenragwurz (Ophrys apifera)

 

OPHRYS: RAFFINIERTES SEXUALTÄUSCHMANÖVER

 

Die Ragwurzen (Fliegen-, Bienen-, Hummel- Spinnen- usw.) sind zur Verführung geboren: Sie entwickeln insektenähnliches Aussehen und dünsten Duftstoffe aus, womit sie die entsprechenden männlichen Insekten zur vermeintlichen Kopulation anlocken. Die Ophrys interessiert aber natürlich nur der Pollenübertrag, der durch die Aktion der irregeführten Insekten erfolgt.

 

AUSGESPROCHEN SELTEN BIS SEHR HÄUFIG

 

 

 

Bereits erwähnt ist der sehr eingeschränkte Lebensraum von Moorvertretern wie die Orchis palustris (Sumpf-Knabenkraut). Sogar auf ganz vereinzelte Standorte hingegen beschränken sich beispielsweise die (gewöhnliche) Spinnenragwurz, das Wanzen-Knabenkraut oder etwa die Orchis simia. Diese sogenannte Affenorchis bringt jeden Betrachter mit entsprechender Assoziation zum Schmunzeln. Der Grund ist buchstäblich offensichtlich (siehe Bild). Noch seltener, weil in der Schweiz auf einen einzigen Standort mit wenigen Vertretern reduziert, sind das ‚Spitzels Knabenkraut‘ (Orchis spitzelii) im Wallis oder die Bienenragwurz-Unterart Ophrys apifera basiliensis im Baselbiet (wen wundert der Name?).

 

 

 

 

Ophrys apifera basiliensis (Foto: Guido Viel)

 

 

(gewöhnliche) Spinnenragwurz (Ophrys sphegodes): Sehr selten, dafür frühblühend

DIE ERSTEN UND DIE LETZTEN

 

  

Bereits erwähnt ist der sehr eingeschränkte Lebensraum von Moorvertretern wie die Orchis palustris (Sumpf-Knabenkraut). Sogar auf ganz vereinzelte Standorte hingegen beschränken sich beispielsweise die (gewöhnliche) Spinnenragwurz, das Wanzen-Knabenkraut oder etwa die Orchis simia. Diese sogenannte Affenorchis bringt jeden Betrachter mit entsprechender Assoziation zum Schmunzeln. Der Grund ist buchstäblich offensichtlich (siehe Bild). Noch seltener, weil in der Schweiz auf einen einzigen Standort mit wenigen Vertretern reduziert, sind das ‚Spitzels Knabenkraut‘ (Orchis spitzelii) im Wallis oder die Bienenragwurz-Unterart Ophrys apifera basiliensis im Baselbiet (wen wundert der Name?).

 

 

 

 

 

 

 

 


 Herbst-Wendelähre (Spirantes spiralis)

 

 

 

Ob selten oder häufig, gross oder klein, auffällig oder bescheiden: Die wilden Orchideen wissen alle Naturfreunde zu begeistern, wenn das Bewusstsein für diese geschützte, äusserst reizende Pflanzenfamilie erst einmal geschärft und der optische Sucher richtig eingestellt ist. Suchtgefahr ist nicht zu verleugnen. Wer ihr erliegen möchte, findet beispielsweise im Lehrpfad bei Erlinsbach (AG) eine lockere Einstiegsmöglichkeit. Vertiefter befassen kann man sich allein schon auf der umfassenden Website der AGEO. Für begeisterte Orchideen-Fans, die mehr wissen wollen, führt indes nichts an Standardwerken[1] zu den Orchideen in der Schweiz vorbei.

 



[1] Die Orchideen der Schweiz und angrenzender Gebiete; Hans R. Reinhard, Peter Gölz, Ruedi Peter, Hansruedi Wildermuth; Schweiz. Bund Naturs.(rsg.); 1991; ISBN 978-3-905647-01-3 und Die Orchideen der Schweiz: Ein Feldführer; Beat A. Wartmann; Haupt, 2008 (2. Auflage); ISBN-13: 978-3258073224

 

Grünliches Breitkölbchen oder Grünliche Waldhyazinthe (Plathantera chlorantha)

 

Holunder Fingerwurz (Dactylorhiza sambucina)

 

Freundliche Unterstützung für Standorte und Fachinformation: Guido Viel

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